Die Marketing-Abteilung von Volkswagen wird nicht müde zu betonen, dass der Arteon kein Nachfolger vom Passat CC oder vom Phaeton ist, sondern ein völlig neues, eigenständiges Modell. Die Wolfsburger positionieren den VW Arteon als ihr aktuelles Spitzenmodell in der oberen Mittelklasse. Die Karosserie ist sicherlich keine Design-Revolution, doch für VW-Verhältnisse ist das schon ein großer Wurf. Gebaut wird das viertürige Coupé in Emden. Zum Test stand ein VW Arteon Elegance mit dem 240-PS-TDI-Motor, DSG und serienmäßigem 4Motion zur Verfügung.
Das Volkswagen gute Autos baut, ist kein Geheimnis. Golf, Polo, Passat oder auch der Tiguan sind bei den Kunden beliebte Modelle. Nur in der Oberklasse konnte Volkswagen bisher noch nicht richtig Fuß fassen. Das letzte Wolfsburger Flaggschiff, der VW Phaeton, hatte mit seinen Verkaufszahlen keine Chance gegen die deutsche Konkurrenz. Mit dem Arteon soll nun ein neues Volkswagen-Kapitel im Premiumsegment geschrieben werden.
Ich finde, dass der Arteon für ein Volkswagen-Modell richtig schick aussieht. Die neue Designsprache lässt sich besonders gut an der Front erkennen. Sie besteht fast nur aus Grill. Die horizontalen, verchromten Streben lassen den Wagen sehr breit wirken. Die Motorhaube hat schöne ausgearbeitete Kanten und zieht sich seitlich bis auf die Radhäuser hinunter. Serienmäßig spendiert Volkswagen dem Arteon die LED-Scheinwerfer, -Tagfahrlichter und -Blinkleuchten. VW bietet das Auto in drei Ausstattungsvarianten an: Arteon (Basis), Elegance und R-Line. Bei den beiden letzteren Versionen sind 18-Zoll-Alus serienmäßig, in der Basisausstattung sind es 17-Zöller. Aus zehn verschiedenen Farben kann der Kunde auswählen.
In der Seitenansicht fällt beim Arteon die lang gestreckte Motorhaube und die gelungene coupéhafte Dach-Form ins Auge. Aber musste die Stummelantenne aus dem VW-Teile-Regal wirklich sein? Die elegantere Lösung wäre hier die Antenne im Heckfenster zu integrieren. 4,86 Meter ist der VW Arteon lang, 1,87 Meter breit (von Außenspiegel zu Außenspiegel sind es 2,13 Meter) und in der Höhe bringt er es auf 1,45 Meter. Die gestreckte Silhouette mit dem 2,84 Meter langen Radstand lässt viel Platz im Innenraum erwarten.
Die vier Türfenster werden rahmenlos geführt. Trotz seines modernen Außendesign lässt sich der Arteon noch immer klar als ein Volkswagen identifizieren. Vom technischen Aufbau her ist die Karosserie, wie auch z.B. der Golf, auf dem Modularen Querbaukasten aufgebaut.
Die Chrom-Endrohre sind beim VW Arteon Elegance mit 2,0-Liter TDI-Motor und 240 PS nur Fake Foto: F. Moritz
Den neu gestalteten Heckbereich zieren umlaufende, zweigeteilte LED-Rückleuchten mit dynamischem Blinklicht. Dazu breite, ausgearbeitete Schultern, die dem VW Arteon einen stämmigen Auftritt verleihen. Unterhalb der großen, getönten Heckscheibe sitzt das VW-Logo. Es beherbergt die Rückfahrkamera (verschmutzt dadurch kaum) und dient auch noch als Öffner für die Heckklappe. Neu ist auch, dass der Modellname Arteon jetzt in großen Lettern unterm VW-Logo steht. Beim Testwagen waren die beiden Chrom-Endrohre ein Fake. Der Auspuff befindet sich auf der Fahrerseite und endet dahinter. Das gibt es leider immer öfters als Designspielerei bei allen Fahrzeugherstellern.
Die elektrische Kofferraumklappe ist weit oben am Dach angeschlagen und öffnet sich dementsprechend großzügig. Dahinter ist Platz für 563 Liter Gepäck. 73 Zentimeter misst die Ladekantenhöhe und dahinter muss das Gepäck wieder 21 Zentimeter nach unten auf den Ladeboden gehievt werden. Mit den umgeklappten Rücksitzlehnen im Verhältnis 60:40 erhöht sich das Kofferraumvolumen dann auf 1.557 Liter. Die maximale Zuladung ist bei 607 Kilogramm erreicht.
Hoch stapeln kann man auf Grund der Karosserieform im Gepäckabteil nicht. Dafür passen aber Gegenstände von gut zwei Metern Länge bei vorgeschobenen Beifahrersitz locker rein. Leider lässt sich die Lehne vom Beifahrersitz nicht komplett nach vorne umlegen. Ein Fahrrad ist für den Arteon-Kofferraum kein Problem. Bei der Urlaubstour mit zwei Personen passen auch unnötige Dinge noch in den Arteon-Kofferraum. Doch für den Einkauf aus dem Möbelhaus sollte man lieber ein anderes Kfz benutzen.
Die vier Türen lassen sich weit öffnen und schließen mit sattem Klang. Wer hinten einsteigt, sollte auf seinen Kopf achten. Durch die coupéhafte Dachform kann man sich schnell eine Kopfnuss einfangen. Bleiben wir gleich hinten. Das Platzangebot vor den Füßen ist fürstlich dimensioniert. Auch in der Breite kommt keine Kuschelatmosphäre zwischen den Passagieren auf. Für Leute über 1,85 Meter Körpergröße ist der Himmel aber näher als man denkt – also der Dachhimmel. Außerdem empfand ich die Kopfstützen als zu kurz.
Anders sieht es in der ersten Reihe aus. Komfortabler Einstieg und Platz in alle Richtungen. Hier sitzt man gerne, zumal ich den Sitzkomfort als sehr angenehm empfand. Mir fehlte im Testwagen nur die Verlängerung für die Oberschenkelauflage. Vier Plätze können beheizt werden und die vorderen Sitze haben die üblichen Gimmicks in dieser Klasse. Die Übersicht auf die Straße ist vom Fahrersitz aus recht ordentlich. Bauartbedingt ist der Blick durch das Heckklappenfenster mehr einem Sehschlitz gleich. Dafür schaut man in einen sehr schönen rahmenlosen Rückspiegel.
Beim genauen Blick auf das Cockpit, fiel mir spontan das Sprichwort ein: “Kennst du Einen, kennst du Alle.” Was das bedeuten soll? Die Wolfsburger haben sich beim VW Arteon aus ihrem Teilesortiment bedient. Das muss ja nicht unbedingt schlecht sein, denn die einzelnen Komponenten wie zum Beispiel das Multifunktionslenkrad, der 9,2-Zoll-Touchscreen, das Active Info Display, eine analoge Uhr, die Bedieneinheit für die Klimatisierung, die DSG-Schaltkulisse oder auch die Schalter für die Fensterheber und Lüftungsdüsen sind ohne Frage sehr hochwertig und funktional.
Aber diese Komponente werden auch in anderen VW-Modellen reichlich verbaut und deshalb wirkt der Arteon für mich bei der Innenarchitektur zu normal. Der verwendete Materialmix und die -qualität können durchaus überzeugen, ohne jedoch Premiumduft zu versprühen. Dafür wird im Arteon noch zu viel Hartplastik verbaut (unterer Türbereich, Mittelkonsole). Es ist alles VW-typisch gut verarbeitet und lässt bei der Bedienung keine Fragen aufkommen. Was mir im Testwagen (in Elegance-Ausstattung) zum Premiumfeeling aber zum Beispiel fehlte, waren wertige Nuancen wie feine Nähte oder auch nur schön gestaltete Regler und Knöpfe. Der billig wirkende “ausfahrbare Eiskratzer”, also ich meine das Head-up-Display (565 Euro extra), ist in dieser Fahrzeug- und Preisklasse einfach nicht vermittelbar. Vielleicht sollte Volkswagen mal einen Blick zu Volvo werfen, denn die haben auch beim Innendesign gerade einen Lauf.
Beim Thema Sicherheit und Assistenzsysteme kann man mit dem VW Arteon nichts falsch machen. Er hat von Hause aus schon einige Dinge serienmäßig an Bord. Alles andere kann optional bestellt werden. Möglich sind zum Beispiel die automatische Distanzregelung ACC mit vorausschauender Geschwindigkeitsregelung, der Spurhalteassistent, ein Stau- und Parkassistent, “Area View” (liefert die Außenansicht rund um das Fahrzeug), Totwinkelwarner oder auch ein Frontassistent mit Fußgängererkennung. Auch bei der Konnektivität ist der VW Arteon mit seinem hauseigenen “Car-Net-System” recht gut vernetzt.
Volkswagen bietet aktuell zwei Benzin- (190 und 240 PS) und drei Dieselmotoren (150, 190 und 240 PS – alle mit SCR-Kat) an. Bisher sind nur 2,0 Liter Vierzylinder-Motoren für den VW Arteon vorgesehen. Der Testwagen hatte die 2,0-Liter-TDI-Maschine mit 240 PS, Allradantrieb und 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe unter der Haube. Die Fahrwerte, das Handling und der Fahrkomfort haben mich beim Arteon mit seinen über 1,8 Tonnen Leergewicht positiv überrascht.
Gestartet wurde der Testwagen über einen Startknopf auf der Mittelkonsole. Das maximale Drehmoment von 500 Newtonmetern liegt in einem schmalen Drehzahlband von 1.750 bis 2.500 Umdrehungen pro Minute an. Das reicht für den Sprint von 0 auf 100 km/h in 6,5 Sekunden und für eine Höchstgeschwindigkeit von 245 km/h. Das 7-Gang-DSG machte seine Arbeit ordentlich und ohne hektische Allüren.
Der Vierzylinder-Motor brummt angenehm leise und verbrauchte in der Stadt 8,1 Liter. Mit dem 66 Liter Tank wäre somit eine theoretische Reichweite von gut 800 Kilometern in der Stadt möglich. Überhaupt hat VW bei der Dämmung nicht gespart, was die Insassen zu schätzen wissen. Die serienmäßige Progressivlenkung lässt den Arteon leicht rangieren und auch zielgenau durch Kurven zirkeln. Den Wolfsburger kann man recht flott fahren (fast schon sportlich), weil er sich spielerisch leicht bewegen lässt und den Fahrer nie vor unlösbare Probleme stellt. Ein typischer Volkswagen eben.
Fünf Fahrprogramme bietet der VW Arteon: Eco, Comfort, Normal, Sport und Individual. Letzteres kann jetzt sogar stufenlos eingestellt werden. Mein Favorit war während der Testfahrt die Einstellung des adaptiven Fahrwerks im Comfort-Modus. Dank dem serienmäßigen und variablen Allradantrieb hatte der Testwagen selbst auf leicht verschneiten Hauptstadtstraßen keinerlei Traktionsprobleme.
Ob der VW Arteon die zahlende Kundschaft überzeugen kann, wird sich zeigen. Optisch, fahrtechnisch und sicherheitstechnisch ist der Wolfsburger ein gelungenes Auto. Allerdings ist seine Verwandtschaft zum VW Passat doch näher als manch Marketing-Werbung offeriert. Und dann kann der Preis ausschlaggebend werden. Für einen VW Arteon in Elegance-Ausstattungen müssen mindestens 41.275 Euro auf den Tisch gelegt werden. Der Basis-Arteon fängt bei 35.325 Euro an. Volkswagen bietet für den Arteon nur zwei Jahre Neuwagen-Garantie.
Der Testwagen wurde von Volkswagen zur Verfügung gestellt.