Wer sich einen Jaguar kauft, steht nicht unbedingt im Verdacht auf automobilen Mainstream abzufahren. Und wer hierzulande einen Jaguar XE fährt, entscheidet sich in der Premium-Mittelklasse bewusst gegen das deutsche Dreigestirn von Audi, BMW und Mercedes.
Und dass das nicht die schlechteste Entscheidung ist, habe ich mit dem Jaguar XE P300 HSE mit Allrad und R-Dynamic-Kit im Test erfahren.
❏ Jaguar XE – Karosserie
Mindestens 43.690 Euro muss Mann oder Frau bereit sein, für einen Jaguar XE auf den Tisch zu legen. Dafür gibt es dann ein Karosseriedesign, dass durch Eleganz und Sportlichkeit überzeugt und nicht an jeder Straßenecke anzutreffen ist.
Auf 4,68 Metern sind die Proportionen des Jaguars sehr gelungen: flache Karosserie (1,42 Meter hoch) mit langer Motorhaube, abfallende Dachlinie und kurzes Heck. 1,97 Meter ist der Jaguar XE breit – mit Außenspiegeln 2,07 Meter. Der Radstand beträgt 2,84 Meter. Optisch hat der 2019 geliftete Brite nochmal zugelegt.
12 Außenfarben hält Jaguar für den XE bereit. Der Testwagen hatte die Premium Meltallic-Lackierung Carpathian Grey für 1.900 Euro. In der HSE-Ausstattungsvariante gibt es dazu passende 19-Zoll Felgen im Farbton Dark-Grey und rote Bremssättel.
Der schwarze Zierrat an der neu gestalteten Front betont den selbstbewussten Auftritt des Jaguars XE P300 AWD R-Dynamic HSE. Auch die in Wagenfarbe lackierten Seitenschweller und die aufgesetzte Spoilerlippe auf der Heckklappe tragen ihren Teil dazu bei.
Die serienmäßigen flachen LED-Scheinwerfer haben Anleihen vom Jaguar F-Type. Optional gibt es auch Matrix-LED-Scheinwerfer mit Jaguar-Signatur für 750 Euro. Sie sehen nicht nur schick aus, sondern bringen auch ordentlich Licht auf die Straße. Auch ein Hingucker sind die animierten vorderen und hinteren Blickleuchten beim Jaguar XE.
439 Liter passen in den Kofferraum vom Jaguar XE. Die maximale Zuladung beträgt 520 Kilogramm. Für 500 Euro extra öffnet und schließt sich die Heckklappe elektrisch. Die Rücksitzlehnen lassen sich für 810 Euro Aufpreis (inklusive Sitzheizung hinten) im Verhältnis 40:20:40 umklappen. Unter dem Kofferraumboden befindet sich eine zweite Ebene für Werkzeug, die Batterie, etwas Kleinkram und das Reifenreparatur-Set.
Das Gepäck lässt sich über die nur 63 Zentimeter hohe Ladekante leicht einladen. Die maximale Anhängelast beträgt beim Jaguar XE 1.800 Kilogramm (ungebremst 750 Kilogramm).
Die integrierte Kamera in der Dachantenne des Jaguars XE kennt man aus dem Range Rover Evoque. Sie sendet das rückwärtige Bild an den Innenspiegel (ClearSight-Spiegel). Das digitale Bild kann durch betätigen eines Hebels im Spiegel dargestellt werden.
Das ist z.B. dann sinnvoll, wenn die Rückbank bis unters Dach beladen ist und der Blick nach hinten eingeschränkt ist. Oder wenn große Mitfahrer die Rückbank belegen. Meine Augen konnten sich allerdings während der Testfahrt nicht an das “flimmernde” Videobild im Rückspiegel gewöhnen.
❏ Innenraum
Hat man im Jaguar XE einmal Platz genommen, fallen die Verarbeitungsqualität und die edle Materialauswahl sofort ins Auge. Schöner wohnen ist hier angesagt. Und auch bei der Haptik gibt es keinen Grund zu klagen. Gut gemacht Jaguar!
Das edle Cockpit setzt komplett auf digitale Anzeigen und ist übersichtlich gestaltet. Das elektrisch verstellbare Lenkrad ist typisch Jaguar und liegt gut in der Hand.
Griffgünstig hinterm Lenkrad sitzen zwei große aus Alu gefräste Schaltwippen. Auch die beiden Lenkstockhebel haben Alu-Enden zu bieten. Das TFT-Instrumentendisplay im 12,3-Zoll-Format kann mit verschiedenen Einstellungen konfiguriert werden.
Auf der Mittelkonsole sitzt nach dem Facelift statt des futuristischen Getriebe-Drehschalters jetzt der aus dem F-Type bekannte Schalthebel. Im Jaguar XE gibt es erstmals eine induktive Ladeschale für Smartphones.
Über den großen 10-Zoll-Touchscreen werden u.a. das Navigationssystem, das Meridian-Soundsystem und das Telefon bedient. Zu bemängeln ist hier die teilweise umständliche Menüführung.
Eine Etage tiefer liegt ein 5-Zoll-Monitor, mit dem die Klimaeinheit bedient wird. Highlight sind hier zwei große Drehregler mit Displays. Mit ihnen wird durch Drücken und Drehen die Temperatur und die Sitzheizungsstufe eingestellt.
Das Platzangebot in der vorderen Reihe ist gut, wenn auch nicht üppig. Alle Bedienelemente sind für den Fahrer leicht zu erreichen. Der Testwagen hatte 18-fach elektrisch verstellbare Sportledersitze (380 Euro), auf denen man es auch auf Langstrecken bequem aushält.
Anders ergeht es Mitfahrern auf der Rückbank. Schon beim Einsteigen muss man den Kopf einziehen, um nicht an die Dachkante zu stoßen. Der Jaguar XE ist im Fond sehr eng geschnitten und bietet Erwachsenen genügend Gelegenheiten sich auf das Ende der Fahrt zu freuen.
Beheizbare Rücksitze sind zwar schön, Kinder würden sich wohl eher über USB-Anschlüsse freuen. Ablagen sind in den vier Türtaschen, der Mittelkonsole und dem verschließbaren Handschuhfach vorhanden.
❏ Ausstattung & Assistenzsysteme
Schon in der Basis-Variante ist der Jaguar XE sehr ordentlich ausgestattet. Der Testwagen hatte nicht nur die stärkste Motorisierung, sondern auch die höchste Ausstattungslinie. So waren die 8-Gang-Automatik von ZF genauso serienmäßig wie Rückfahrkamera, 12,3-Zoll-TFT-Instrumentendisplay, Spurhalteassistent, Parkassistent, Navigationssystem (inklusive 500 MB Datenvolumen pro Monat), Android Auto/Apple CarPlay, eine Sportbremsanlage oder der autonome Notfall-Bremsassistent für hohe Geschwindigkeiten.
Aber auch ein Jaguar XE kann mit Sonderausstattungen aufgerüstet werden. Der Testwagen hatte für fast 10.000 Euro zusätzliche Ausstattung an Bord. Das sehr gute Head-up-Display sowie ein Fahrdynamik-Paket zählten dazu.
❏ Motor + Fahreigenschaften
Zur Motorenpalette gehören beim Jaguar XE nur noch Vierzylinder-Aggregate mit 2 Litern Hubraum, die alle die Abgasnorm EU6d-TEMP erfüllen. Das 8-Gang-Automatikgetriebe ist immer serienmäßig mit dabei. Der Testwagen hatte den leistungsstärksten Motor mit 300 PS unter der Haube und dazu Allradantrieb.
Nicht nur auf dem Datenblatt sind die Werte respektabel: 400 Newtonmeter liegen zwischen 1.500 und 4.500 U/min an. Bei 250 km/h wird der Jaguar XE P300 elektronisch eingebremst und das Landstraßentempo erreicht er in 5,7 Sekunden. Mit dem knapp 1,7 Tonnen Leergewicht hat der Motor keinerlei Probleme.
Der mit zwei Turbos aufgeladene Motor liefert in jeder Drehzahl genug Power, um auch den sportlichen Fahrer glücklich zu machen. Die Lenkung arbeitet zackig und schön direkt durch jeden Kurvenverlauf. 11,2 Meter beträgt der Wendekreis. Das Adaptivfahrwerk für 1.628 Euro Aufpreis ist sein Geld wert. Vier Fahrmodies (Schlecht-Wetter, Eco, Komfort, Dynamic) stehen zur Verfügung, wobei der Jaguar in allen Modies (außer Sport) geschmeidig federt.
Im Sportmodus liegt er strammer auf der Straße, die Lenkung wird fester und die Federung eine Spur härter. Die Achtstufenautomatik passt sehr gut zum Charakter des Motors und schaltet schnell und zügig.
Der Allradantrieb sorgt für ausgezeichnete Traktion und bringt den Briten locker auch durch schnellgefahrene Kurven. Für die Insassen gibt es keinen Grund über laute Motorengeräusche zu klagen. Bis etwa 150 km/h sind auch die Windgeräusche akzeptabel. Negativ fiel mir auf der Autobahn bei höherem Tempo die seitliche Windempfindlichkeit des Jaguars auf.
63 Liter passen in den Tank. Auf der Landstraße verbrauchte der Testwagen knapp unter 8 Liter. Auf der Autobahn-Tour mit Tempo 180 km/h und mehr, zeigte die Verbrauchsanzeige Werte jenseits von 15 Litern an. Wer das Gaspedal behutsam einsetzt, wird wesenlich moderatere Werte erreichen.
❏ Fazit
Der Jaguar XE hat nach seinem Facelift sicht- und spürbar an Qualität und der Materialauswahl beim Interieur zugelegt. Das Cockpit versprüht sportlich luxuriösen Charme. Man fühlt sich wohl und sicher aufgehoben im Jaguar XE – zumindest in der 1. Reihe. Das Karosseriedesign gefällt duch perfekte Proportionen und könnte ruhig öfters im Straßenbild auftauchen.
Fahrdynamisch kann er in seiner Liga ganz oben mitmischen. Der Vierzylindermotor hat mit seinen 300 PS mehr als genügend Kraft und macht seine Sache im Zusammenspiel mit der 8-Gang-Automatik richtig gut.
Natürlich ist ein Jaguar kein Schnapper. Der getestete Jaguar XE P300 AWD R-Dynamic HSE hatte einen Grundpreis von 60.640 Euro. Mit Sonderausstattungen kam er auf 70.451 Euro. Dafür ist der Brite dann aber auch fast komplett ausgestattet und im Vergleich zu Autos von “ABM” fast schon wieder günstig. Drei Jahre Garantie bis 100.000 km inklusive Wartungskosten gibt Jaguar obendrauf für den XE.
Der Testwagen wurde von Jaguar zur Verfügung gestellt.