Seit mehr als 10 Jahren ist die aktuelle Generation des Fiat 500 mein ständiger Begleiter. Seinen ersten Auftritt hatte der Zwerg Ende 2007 bei einer Testfahrt in Berlin. Frisch vorgestellt war der Laufsteg zwischen Siegessäule und Brandenburger Tor zwar nicht vergleichbar mit den engen Gassen in italienischen Bergdörfern; seine optischen Qualitäten überzeugten aber damals schon die Berliner Passanten und Verkehrsteilnehmer(innen).
Auf der Testfahrt kam es jedenfalls mehrfach vor, dass sich die Fensterscheibe öffnete und eine stürmische Liebesbekundung die Straßenseite wechselte – leider nur zum Auto. Für Berliner Verhältnisse waren diese stürmischen Gefühlsausbrüche jedenfalls hysterisch. Alles was es dazu brauchte waren weißer Lack, Kulleraugen als Scheinwerfer und ein Zielflaggenprint auf dem Dach.
2016 folgte von Fiat das letzte Facelift, welches ich bei einem zweiwöchigen Urlaub an der Algarve näher testen konnte. Nach kurzer Rücksprache mit dem Autovermieter war der damals eigentlich gebuchte Mittelklassekombi gegen einen Fiat 500C um zwei Klassen heruntergebucht.
Meine bessere Hälfte kam auf dem Vermieterparkplatz mit den vernichtenden Argumenten „Er ist tiffany blau und hat ein beiges Verdeck“. Was folgte waren Koffer-Tetris und die Erkenntnis, dass ein LKW im Kreisverkehr sehr schnell, sehr bedrohlich und sehr groß wird, wenn der eigene Motor 0,9 Liter Hubraum hat. Seitdem war ich bislang um eine weitere Fahrt mit diesem liebenswürdigen Zwerg herumgekommen.
Im Parkhaus stand nun die dritte Ausfahrt bevor und optisch hat sich zu den ersten beiden Brüdern einiges getan. Wichtigstes Detail: Das Emblem. Beim Wagen handelt es sich um einen Abarth 595 esseesse. Abarth ist im Hause Fiat traditionell für die sportlichen Varianten zuständig, hat in der Vergangenheit bereits an diverse Modelle Hand angelegt und zeichnet sich durch einen Skorpion im Logo aus.
Zum 70. Geburtstag von Abarth trägt der Wagen einiges an Zierrat. Weiße Kontraststreifen, weiße Supersport Felgen, rote Brembo Bremssättel und eine zweiflutige Akrapovic Abgasanlage deuten eine härtere Gangart an. Vielleicht lässt sich am nächsten Kreisverkehr doch ein LKW ausbeschleunigen.
Der Griff an die Türgriffe aus Hartplastik verdeutlicht: Hier möchte jemand dem Rennsport näher sein, als dem Lustwandeln an der Algarve. Allerlei weitere Optimierungen senken das Gesamtgewicht auf 1165 Kilogramm und die Fahrwerkshöhe um einige Zentimeter.
Innen ist eigentlich alles wie immer. Die Sitzposition ist höher als man erwartet, das Lenkrad so zu verstellen, dass man mit 1,90 Meter wie auf der Kartbahn sitzt und die Instrumente schwer abzulesen sind. Zwei wichtige Details verdeutlichen, dass Abarth es mit der Sportlichkeit ernst meint.
Die Rennsitze von Sabelt mit Carbonschale hatten die Designer nicht auf dem Schirm, als sie das Chassis konzipierten. Aber sie passen in den Innenraum und bieten hervorragenden Seitenhalt.
Hat man auf ihnen platzgenommen und das Sportlenkrad umklammert, fällt neben dem Zentraltacho eine kleine Zusatzanzeige ins Auge, die den Ladedruck des Garret Turboladers anzeigt. Letztere bietet in Zusammenarbeit mit der Akrapovic Abgasanlage und dem Sportmodus die Möglichkeit sich diebisch auf das heisere Krächzen der Abgasanlage zu freuen.
Der Abarth ist allgemein straff abgestimmt und lebt für die kurvige Landstraße. Der Sportmodus verkürzt die Gasannahme und stellt den Sportauspuff in den Modus „bei den Nachbarn unbeliebt“.
Der Vierzylinder-Benziner giert nach Drehzahlen und erreicht die 100 km/h nach 6,7 Sekunden, wobei man auf der Autobahn jenseits der 225 km/h Rückenwind braucht und sich auf deutliche Bewegungen bei Bodenwellen einstellen muss.
Bei einer Runde durch den Taunus gefiel die Bremsanlage besonders, da die Vierkolben-Brembobremsen kräftig verzögern und auch nach enthusiastischer Fahrt standhaft bleiben. Das manuelle Getriebe mit fünf Gängen lädt zur zügigen Fahrt auf engen Routen ein, lässt aber einen langen sechsten Gang für längere Fahrten vermissen.
Dies lässt sich verschmerzen, niemand wird mit diesem Wagen längere Etappen in den Urlaub fahren wollen. Der Kofferraum reicht für einen großen Einkauf, bei Ikea jedoch nur für die Dekorationsabteilung und daher auch nicht für überbordendes Urlaubsgepäck.
Der Abarth ist ein ideales Fahrzeug für das 30-Minütige Dauergrinsen auf dem Weg zur Arbeit und den kleinen, einstündigen Umweg auf der Route zurück. Die 180 PS sind sportlich verpackt und entgegen der ersten Vermutung komplett und jederzeit nutzbar. Dafür sorgen das mechanische Sperrdifferenzial und die Koni Stoßdämpfer, die den Wagen sicher auf dem Asphalt halten.
Passanten und andere Verkehrsteilnehmer werden zudem akustisch vom Sportauspuff zur Aufmerksamkeit erzogen. Der Preis beginnt bei 29.690 Euro, wobei alle genannten Ausstattungsmerkmale bereits inkludiert sind.
Der Testwagen wurde von Fiat zur Verfügung gestellt.